TEMPERATUREN
Durchschnittstemperaturen
Ein Hauptmerkmal des Klimawandels sind
Veränderungen der Jahresdurchschnittstemperatur. Die instrumentell
gemessenen Temperaturen Deutschlands liegen für die letzten 135 Jahre
vor und können von der
Webseite des Deutschen Wetterdienstes (DWD) heruntergeladen und
visualisiert werden. Die darüber hinausreichende Temperaturgeschichte
Deutschlands wurde in Fallstudien für die vergangenen 10.000 Jahre
anhand von Höhlentropfsteinen, Torfkernen und historischen
Wetteraufzeichnungen rekonstruiert.
Letzte 30 Jahre
Die Jahresdurchschnittstemperaturen haben sich in
Deutschland während der vergangenen 30 Jahre um gut ein halbes Grad
erhöht (Abb.
1). Allerdings schwanken die Temperaturen von Jahr zu Jahr um
bis zu 3 Grad.
Abbildung 1:
Entwicklung der Jahresdurchschnittstemperaturen in Deutschland während
der vergangenen 30 Jahre (schwarze Linie, 1988-2017). Die grüne Linie
zeigt den linearen Trend an. Daten:
DWD.
Interessanterweise läuft die Erwärmung nicht in
allen Jahreszeiten und Monaten gleichmäßig ab. Für den Monat Januar
lässt sich für die vergangenen 30 Jahre sogar eine bundesweite Abkühlung
von einem halben Grad feststellen (Abb.
2). Die Januartemperaturen zeigen eine enorme Variabilität mit
Unterschieden von bis zu 8°C.
Abbildung
2: Entwicklung der
Januartemperaturen in Deutschland während der vergangenen 30 Jahre
(schwarze Linie, 1989-2018). Die grüne Linie zeigt den linearen Trend
an. Daten:
DWD.
Zu beachten ist, dass Trendaussagen zur
Temperaturentwicklung stark vom gewählten Betrachtungsintervall abhängig
sind. Oftmals kann die Hinzunahme oder das Ausklammern eines einzigen
Jahres den Trend umkehren bzw. stark abschwächen.
Bart Vreeken hat die Tagesdurchschnittstemperaturen
ausgewählter deutscher und europäischer Orte farblich für die
vergangenen Jahrzehnte visualisiert (Mausklick auf Namen in
Karte). Zu den dargestellten Orten gehören
Schleswig,
Helgoland,
Greifswald,
Hamburg,
Hannover,
Potsdam,
Lindenberg,
Görlitz,
Erfurt,
Frankfurt am Main,
Hof,
Augsburg,
Oberstdorf. Auf den Graphiken lässt sich die starke Variabilität der
Entwicklung gut nachvollziehen.
Letzte 150 Jahre
Die durchschnittliche Jahresmitteltemperatur in
Deutschland hat sich in den letzten 135 Jahren um etwa anderthalb Grad
erhöht (Abb. 3). In den späten 1980er Jahren ereignete sich dabei ein
bedeutender Sprung auf ein höheres Temperaturniveau.
Abbildung 3:
Entwicklung der Jahresdurchschnittstemperatur in Deutschland während der
letzten 135 Jahre. Graphik:
DWD.
Der Temperatursprung der späten 1980er Jahre ist
auch in den Meeresoberflächentemperaturen der Nordsee und Ostee stark
ausgeprägt, wobei sich das Niveau um 1°C erhöhte (Abb.
4).
Abbildung 4:
Entwicklung der Meeresoberflächentemperatur in der Nordsee und Ostee
(ganzes Gebiet). Graphik:
European Environment Agency.
Die Ursache für den starken Erwärmungsschub in den
späten 1980er Jahren ist noch nicht vollständig verstanden. Eine wichtige
Rolle kommt wohl dem Ozeanzyklus der Nordatlantischen Oszillation (NAO)
zu, die zu dieser Zeit maximal positive Werte einnahm, welche danach in
ihrem Ausmaß nicht mehr erreicht wurden (Abb.
5). Die NAO wird
von der
Sonnenaktivität mitbeeinflusst und ist ein
wichtiger Steuerungsfaktor von Niederschlägen und Temperaturen in
Teilen Europas.
Abbildung 5:
Verlauf der Nordatlantischen Oszillation (NAO) während der vergangenen
140 Jahre. NAO
Winter Index. Graphik:
Wikipedia.
By Delorme [CC
BY-SA 4.0],
from Wikimedia Commons.
Letzte 2000 Jahre
Die aktuelle Wärmephase ist nicht die einzige
Erwärmungsperiode in der nacheiszeitlichen Klimageschichte. Bereits im
Mittelalter vor 1000 Jahren ereignete sich eine Warmphase, die besonders
gut aus dem nordatlantischen Raum bekannt ist, aber auch in vielen
Regionen der restlichen Welt ausgeprägt war,
z.B. in Afrika. So wurde die Mittelalterliche Wärmeperiode (MWP)
bzw. Mittelalterliche Klimaanomalie (MCA) auch aus Rheinland-Pfalz (RP)
beschrieben. Eine
Forschergruppe um Robert Moschen rekonstruierte die
Temperaturgeschichte anhand von Kohlenstoffisotopen in einem Torfkern
aus dem Dürren Maar. Dabei fanden sie eine Erwärmung von mehr als 5°C im
Übergang der Kälteperiode der Völkerwanderungszeit (500-700 n. Chr.) zur
MWP (Abb.
6). In
diesem Zusammenhang traten offenbar starke Erwärmungsschübe auf, bei
denen die Temperaturen auf natürliche Weise innerhalb weniger Jahrzehnte
um mehrere Grad nach oben schnellten. Insofern scheint weder das heutige
Temperaturniveau, noch die heutige Erwärmungsrate in Deutschland im
historischen Kontext beispiellos zu sein.
Abbildung 6:
Temperaturentwicklung des Dürren Maar (Eifel) während der letzten 2000
Jahre basierend auf einer Temperaturrekonstruktion anhand von
Zellulose-Kohlenstoffisotopen eines Torfkerns. Nullpunkt der
Temperatur-Anomalieskala liegt etwas über dem Temperaturdurschnitt der
letzten 2000 Jahre (Kleine Eiszeit fehlt). Linke Kurve: Ungeglättete
Daten. Rechte Kurve: Gleitender Mittelwert über 60 Jahre. Daten
digitalisiert von
Moschen et al. 2011.
Eine warme MWP lässt sich auch aus historischen
Eisberichten des Bodensees ableiten. Zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert
gab es jeweils lediglich ein oder zwei Jahre während der der Bodensee
vollständig zufror (siehe Tabelle 1 in
Brunner 2004: Die Seegfrörnen des Bodensees. Schriften des Vereins
für Geschichte des Bodensees u. seiner Umgebung). In der nachfolgenden
Kleinen Eiszeit ereigneten sich diese „Seegfrörnen“
sehr viel häufiger. Zum Höhepunkt im 15. und 16. Jahrhundert fror der
Bodensee jeweils gleich sieben Mal pro Jahrhundert zu. Im 20. Und 21.
Jahrhundert gab es ähnlich wie während der MWP nur eine einzige
Seegfrörne, nämlich 1963.
Letzte 10.000 Jahre
Erweitert man den Referenzzeitraum auf die letzten
10.000 Jahre, so wird klar, dass es eine ganze Reihe von Warm- und
Kältephasen in vorindustrieller Zeit gegeben hat. In der Wissenschaft
wird hier von klimatischen Millenniumszyklen gesprochen, da sich die
Änderungen im Takt von 1000-2000 Jahren ereigneten. Die Zyklen sind aus
allen Erdteilen beschrieben worden und könnten zumindest einen Teil
ihres Antrieb
aus der
schwankenden Sonnenaktivität beziehen. Andere Forscher nehmen einen
klimasysteminternen Puls an.
Eine derartige Millenniumszyklik wurde auch in der
sauerländischen Bunkerhöhle von einer
Gruppe um Jens
Fohlmeister nachgewiesen. Rhythmische Änderungen in den
Sauerstoffisotopen in Tropfsteinen zeigen über die vergangenen 11.000
Jahre einen fortlaufenden natürlichen Klimawandel, bei dem das System
zwischen warm/feucht und kalt/trocken schwankte (Abb.
7). Der Wechsel zwischen der Kältephase der Völkerwanderungszeit,
MWP und Moderner Wärmeperiode ist in der Höhlenrekonstruktion gut
erkennbar.
Abbildung 7:
Natürliche Klimaschwankungen im Sauerland während der vergangenen 11.000
Jahre, rekonstruiert auf Basis von Sauerstoffisotopenschwankungen (δ18O)
von Tropfsteinen der Bunkerhöhle. Einheit in Promille der
Sauerstoffisotope. CWP=Moderne Wärmeperiode (Current Warm Period),
MWP=Mittelalterliche Wärmeperiode, DACP=Kälteperiode der
Völkerwanderungszeit (Dark Ages Cold Period), RWP=Römische Wärmeperiode.
Alterskala zeigt Jahre vor 1950 (Years BP, before ‚present‘=1950). Daten
von
Fohlmeister et al. 2012,
heruntergeladen von
https://www.ncdc.noaa.gov/paleo/study/20589
Eine besonders warme Phase stellte das sogenannte
Holozäne Thermische Maximum (HTM) dar, das sich in der Zeit 8000-5500
Jahre vor heute ereignete.
Kühl
& Moschen 2012 rekonstruierten die Temperaturen dieser Klimaepisode
für das Dürre Maar anhand von Pollen. Es zeigte sich, dass die
Temperaturen in der Eifel damals um mehr als ein Grad über dem heutigen
Wärmeniveau lagen (1990-2017, Abb. 1), bzw. fast zwei Grad, wenn man das
kühlere Referenzintervall 1961-1990 zum Maßstab nimmt. Die
Juli-Temperaturen der Eifel lagen während des HTM bei 18,0-18,5°C,
wohingegen an der nächstgelegenen Wetterstation Manderscheid im
DWD-Referenzintervall 1961-1990 ein Juli-Durchschnittswert von 16,3°C
gemessen wurde (Kühl
& Moschen 2012).
Temperaturen ähnlich dem heutigen Niveau wurden auch in einer Tropfsteinstudie aus der Hölloch Höhle in den Bayerischen Alpen für HTM und Mittelalterliche Wärmeperiode (MWP) nachgewiesen (Wurth et al. 2004).
Der Antrieb der bedeutenden vorindustriellen Temperaturschwankungen in Deutschland und anderen Teilen der Erde wird in der Wissenschaft noch diskutiert. Vieles deutet auf eine Beteiligung der Sonne sowie Ozeanzyklen hin. Hierfür spricht auch eine Studie des Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ) zum Meerfelder Maar in der Eifel. Bei ihrer Analyse stießen die Forscher auf eine abrupte Klimaverschlechterung die vor knapp 2800 Jahren begann und fast 200 Jahre andauerte. Die Wissenschaftlergruppe um Celia Martin-Puertas konnte in ihrer Arbeit zeigen, dass die Abkühlungsphase zeitgleich zu einer solaren Schwächephase verlief.
Sonnenscheindauer
Wolken haben einen großen Einfluss auf den Strahlungshaushalt der
Erde und somit auch die Lufttemperatur. Sobald sich im Sommer tagsüber
eine Wolkendecke bildet und die Sonnenstrahlung abschirmt, wird es
schnell spürbar kälter. Der Bewölkungsgrad wird in der Meteorologie über
die Sonnenscheindauer erfasst. Je größer die Bewölkung, desto kürzer die
Sonnenscheindauer. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) stellt
auf seiner Webseite die Sonnenscheindaten Deutschlands seit 1950 dar.
Während der letzten 65 Jahre zeigt die Sonnenscheindauer einen
Wellenförmigen Verlauf mit kürzerem Sonnenschein von den späten 1970er
bis in die späten 1980er Jahre (Abb.
8). In den Jahrzehnten davor und danach schien die Sonne länger. Die
längste Sonnenscheindauer wurde im 21. Jahrhundert erreicht, als die
Sonne im Jahr durchschnlttlich 200 Stunden länger schien als in den 1980er
Jahren.
Der Antrieb in der Veränderung der
Sonnenscheindauer und damit Bewölkung ist unklar. Es fällt jedoch auf,
dass sich die Zunahme der Bewölkung in den späten 1970er und 1980er
Jahren während einer stark negativen Phase des Ozeanzyklus der
Atlantischen Multidekaden Oszillation (AMO) sowie des
außergewöhnlich
schwachen Sonnenfleckenzyklus 20 ereignete.
Abbildung 8:
Entwicklung der jährlichen Sonnenscheindauer in Deutschland (in Stunden)
während der letzten 65 Jahre. Schwarze Linie= Detaillierte Jahreswerte,
rote Linie=gleitendes 7-Jahres-Mittel. Daten:
DWD.
Während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war
das Messnetz für die Sonnenscheindauer
leider noch nicht dicht genug, um flächendeckende Deutschland-Werte
zu berechnen. Aus diesem Grund ist man für diese Zeit auf den Vergleich
von Einzelstationen angewiesen. Eine bis 1900 zurückreichende Messreihe
der Sonnenscheindauer wird
von HISTALP für die Wetterstation auf der Zugspitze angeboten. Ein
Langzeittrend ist gut erkennbar. Im Laufe der vergangenen 115 Jahre hat
sich die jährliche Sonnenscheindauer auf der Zugspitze um knapp 400
Stunden verlängert (Abb. 9).
Abbildung
9: Entwicklung der jährlichen
Sonnenscheindauer an der Station Zugspitze während der letzten .
Schwarze Linie= Detaillierte Jahreswerte, rote Linie=gleitendes
7-Jahres-Mittel. Daten:
HISTALP.
Graphik:
HISTALP.
Die Sonnenscheindauer von Hessen wird vom dortigen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie als landesweite Mittelwerte sowie für Einzelstationen in einfach zu generierenden Online-Plots benutzerfreundlich zur Verfügung gestellt.
Es erscheint plausibel, dass die langfristige Zunahme der Sonnenscheindauer (bzw. der Rückgang der Bewölkung) einen Beitrag zur beobachteten Klimaerwärmung in Deutschland während der letzten 100 Jahre gespielt haben muss. Noch unklar ist, was letztendlich zur Verringerung der Bewölkung geführt haben könnte. Eine Rekonstruktion der Sonnenscheindauer über paläoklimatologische Methoden ist leider kaum möglich, so dass die Diskussion auf den instrumentellen Messzeitraum beschränkt ist.